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Bergen – die Regenhauptstadt Europas
31. August 2016 von sissy | Keine Kommentare
Am Mittwoch, 27. Juli, gondeln wir im Zick-Zack auf der N13 gen Bergen. Reisen in Norwegen entschleunigt. Die erlaubten 80 km/h kann man ganz selten fahren, die Straßen sind großteils eng mit vielen Ausweichstellen und sehr kurvig. Wir haben noch in keinem Land so viele Wohnmobile und Gespanne auf der Straße erlebt. Neun von zehn Womos sind Norweger, ein paar Deutsche und kaum Österreicher oder Schweizer.
Die Straße führt uns über Jorpeland nach Tau und von Heilmelandsvagen mit der Fähre nach Nesvik. Sand, Suldal, Skare, Odda, zielstrebig geht es nordwärts, Wasser begleitet uns scheinbar stehend oder wild fließend.
Ab Odda fahren wir am Sørfjorden, einem südlichen Ausläufer des mächtigen Hardangerfjordes, entlang und staunen nicht schlecht: Obstanbau hier!? Wir sehen Apfel- Birnen- Zwetschken- und Kirschbäume. An vielen Straßenständen werden momentan Kirschen verkauft, bzw. verkaufen sich die Kirschen selbst. Man nimmt einfach die mit herrlichen Früchten gefüllten Schalen und wirft den entsprechenden Geldbetrag in eine Büchse. Die Kirschen geben nicht nur von der Optik was her, nein, sie munden auch vorzüglich!
Bereits im 13. Jahrhundert bauten in dieser Gegend die Zisterziensermönche Obst und Gemüse in ihren Klöstern an. Nach der Reformation geriet der Anbau in Vergessenheit, weil die Mönche ihre Klöster aufgeben mussten. Ab dem 18. Jahrhundert beginnen ansässige Bauern am Sørfjorden wieder mit dem Obstanbau.
Auf der anderen Seite des Fjordes liegt Ullensvang, das zu den größten Obstanbaugebieten in Norwegen gehört. Dem Golfstrom sei Dank, befinden wir uns hier doch auf dem gleichen Breitengrad wie Südgrönland. Außerdem begünstigt auch die geschützte Lage innerhalb der Fjorde den Obstanbau. Der Wind fegt über die Hardanger-Hochebene hinweg, hier im Fjord ist es meist windstill.
Von Utne, wo sich drei Fjorde treffen, setzen wir nach Kvanndal über.
2 km nach Norheimsund zieht der Steinsdalsfossen unseren Blick auf sich. Der Wasserfall entstand 1699 aufgrund der Laufänderung des Flusses. Ein schmaler Weg führt zum Wasserfall und hinter diesem vorbei. Es ist etwas Besonderes, ihn nicht nur zu sehen und zu hören, sondern die Urgewalt des Wassers auch zu spüren. In ganz Norwegen haben Architekten in Gemeinschaft mit Landschaftsarchitekten Plattformen und Aussichtspunkte geschaffen, um spektakuläre, atemberaubende Ein- und Ausblicke genießen zu können.
Das Gespür für Architektur fällt uns öfters auf. Ist dieses einfache, stylische, funktionale (es regnet ja eh schon wieder!) Busswartehäuschen nicht genial? Mir gefällt auch die Schreibweise des Wortes Buss. Endlich eine Sprache, in der der Buss so geschrieben wird, wie auch wir ihn sprechen!
Nach gut 70 km erreichen wir den „Bergen Campingpark AS“, 19 km außerhalb der Stadt gelegen. Er erhält von uns das Prädikat „Nicht empfehlenswert“.
Bergen macht seinem Ruf alle Ehre, es regnet und regnet und regnet. Wir starten am Donnerstag, 28. Juli, mit einem Frühstück bei Baker Brun (Danke für den Tipp! :)) und beginnen mit dem Flanieren im Weltkulturerbe Bryggen.
Es lässt sich noch erahnen, welche Bedeutung Bryggen im Mittelalter hatte. Die Hanse hinterließ hier ihre Spuren, jahrhundertelang war die Kaianlage quirliger und zentraler Teil der Stadt. Etliche Stadtbrände tobten hier, 1702 wurde die ganze Stadt in Schutt und Asche gelegt. Nach dieser Feuersbrunst wurde Bryggen im alten Baumuster wieder aufgebaut und hat heute dasselbe Profil wie im 12. Jahrhundert.
Die bunten Holzhäuser schaffen es selbst bei diesem trüben Wetter, ein bisschen Stimmung aufkommen zu lassen. Wir gehen über den Fischmarkt und sind enttäsucht. Das ist Norwegens bekanntester und meistbesuchter Marktplatz im Freien!? Ein wenig mehr vom Fisch finden wir in der Markthalle, wo wir eine leckere Fischsuppe und Fish & Chips norwegischer Art essen, d. h. mit Dorsch, Lachs, Steinbutt und Shrimps.
Jetzt regnet es nicht, es schüttet. Wir können die Markthalle nicht verlassen. Üerall stehen Leute, die eigentlich hinaus möchten. Ich schaue auf die Geschäfte gegenüber. Fast jedes bietet Regenbekleidung, Schirme, warme Stricksachen und Jacken an. Auch am Regen lässt es sich verdienen. Ich kaufe mir eine schwarze Regenüberjacke, die bis zum Boden reicht, mit einem Schirm ist man hier deutlich „undercovered“.
Der Kirchturm der Johanneskirken kann fast überall in Bergen gesehen werden und dient der Orientierung. Der Kirchenraum hat eine sehr gute Akustik, deshalb wird er gerne als Konzertsaal verwendet.

Kurz waren seine grandiosen Spieleinlagen, andauernd musste er sein Instrument mit einer Plane abdecken um es nicht zu verstimmen. Bei mir hatte die neue „Plane“ wenig Erfolg, war ordentlich verstimmt!
Für uns ein ungewohnter Anblick: Die Elektrotankstelle an der Einfahrt zum Campingplatz, vollbesetzt mit Teslas. Bis 2025 will Norwegen den Autoverkehr komplett auf erneuerbare Energie umstellen, deshalb werden Elektroautos besonders gefördert. Bei der Anschaffung eines Elektroautos entfällt die Mehrwertsteuer. Ebenso sind mit Strom betriebene Gefährte von der Kfz-Steuer und der Abgas-Abgabe befreit. In norwegischen Städten können Fahrer von E-Autos ihre Wagen auf kommunalen Parkplätzen kostenlos abstellen, auch das Aufladen der Batterien an den öffentlichen Stationen ist gratis. In Bergen darf man sogar die Bussspur benutzen – und am Stau vorbeifahren.
Auch am Abend regnet es und wir überlegen, ob wir nicht gleich nach Oslo durchstarten sollen. Bei so viel Niederschlag schlägt mein Stimmungsbarometer gefährlich in Richtung Niedergeschlagenheit!!
Vi ses,
die Womophilen
Kjerag und Preikestolen – dem Regen entgegen
6. August 2016 von sissy | 2 Kommentare
Der Wetterbericht verheißt nichts Gutes, trotzdem wagen wir uns am Montag, 25. Juli, nordwärts. Wir sind begeistert von der Landschaft und wenn man sich nicht unbedingt an den Hotspots aufhält, – wie wir zwei es für die nächsten Tage vorhaben – dann verteilen sich die Touristen gut in diesem mit so viel Schönheit ausgestattetem Land. Fels und Wasser in unterschiedlichsten Formen, daraus scheint Norwegen zu bestehen.
Wir bahnen uns den Weg zurück über Vigeland nach Lyngdal und weiter auf der E39 bis Flikka. Die 466er führt uns bis Tonstad, die 468er bis Sinnes und dann geht es fast 30 km ganz engspurig dahin. Die Krönung ist aber eine unglauliche Serpentinenstraße mit 27 Haarnadelkurven und Blick über die 800 m senkrecht abfallende Bergseite nach Lysebotn in den Lysefjord.
Auch für Dienstag gibt es keine bessere Wetterprognose. Es sieht nicht gut aus für die Wanderung zum Kjerag. Bis zum Abend füllt sich der Campingplatz. Wollen die alle morgen zum Kjerag wandern?? Für mich wird es „nur“ Fotos geben, laut Beschreibung ist die Tour nicht wirklich „sissytauglich“, 5 Stunden Gehzeit mit erhöhten Anforderungen und blankem Fels, den ich bei dem Wetter eher scheue. Vom Fjord aus kann man zusehen, wie sich die Gipfel ständig in Wolken hüllen um dann doch wieder sichtbar zu werden.
Die Morgenstimmung ist gar nicht so schlecht, doch gleich nach dem Frühstück beginnt es zu regnen. Wir kurven die Serpentinen hoch und stehen zunächst mit nur zwei Womos am Parkplatz des Øygardsstølen.
Der Kjeragbolten ist ein eiförmiger Monolith, der in einer Feslsspalte 1.000 m über dem Lysefjord eingeklemmt ist. Man nähert sich dem Stein über ein Bachbett. Für viele Norwegenbesucher ist es der Adrenalin-Kick schlechthin auf dem Kjeragbolten oder der Trolltunga gestanden zu sein. Wenn das Wetter schön ist, hat man einen herrlichen Ausblick auf den Fjord.
Wir wollen nicht den gleichen Weg zurück nehmen, deshalb verlassen wir Lisebotn noch am Abend über den Fjord. Der Lysefjord ist ein sehr steiler, 40 km langer und bis zu 500 Meter tiefer Fjord.
Im Lysefjord gibt es etwa 400 Seehunde, die bis zu 2 Meter lang und 100 kg schwer werden. Ein ausgewachsener Seehund frisst 6 – 10 kg Fisch pro Tag, bevorzugt norwegischen Lachs. (So ein Feinspitz! Wen wundert es da, dass Rudi keinen Lachs erfischte?!) Leider lässt sich kein Seehund blicken. Es ist allerdings nicht einfach sie zu entdecken, da die Grundfarbe der Uferzone der Farbe des Seehundpelzes sehr ähnelt.

Hinter dem alten Elektrizitätswerk führt neben der Leitung, die das Werk mit Wasser versorgt hat, eine Holztreppe mit 4.444 Stufen hinauf, die für Touristen zugänglich ist.
Es dauert nicht lange und wir können 600 Meter über uns unser nächstes Ziel, das 25 x 25 m große Gebirgsplateau des Preikestolen, erahnen. Dort gibt es kein Geländer, Gott sei Dank ist bis heute noch niemand heruntergefallen. Es wird erzählt, dass der Preikestolen zusammenfallen wird, wenn sieben Schwestern sich mit sieben Brüdern aus der gleichen Gegend verheiraten.

Viele Höfe hoch oben am Felshang sind verlassen. Früher hat man die Kinder mit einem Strick festgebunden, damit sie nicht hinunterfallen konnten.
In Forsand verlassen wir die Fähre (Touristenfähre mit Information) und begeben uns auf den Weg zum Preikestolen. Leider wird der Regen immer mehr und es tut unserer Stimmung gar nicht gut, dass wir auf dem Campingplatz weder Strom noch ein halbwegs trockenes Plätzchen bekommen. Unser Wunsch zur Kanzel zu wandern wird immer kleiner und wir einigen uns: Wanderung findet nur im Trockenen statt!
Die ganze Nacht begleitet uns der blecherne Klang der Regentropfen auf das Womodach und am Morgen heißt es: Der Preikestolen kann uns „gestolen“ bleiben!
Vi ses,
die Womophilen
God sommer…… an der Südostküste Norwegens
30. Juli 2016 von sissy | 4 Kommentare
Die Super Speed Fähre der ColorLine bringt uns in 4,5 Stunden in den Hafen von Larvik. Den Rest der Nacht dösen wir neben lauten LKWs, deren Aggregate laufen, am Rastplatz einer Tankstelle.
Der Dienstagmorgen, 19. Juli, beginnt sonnig und warm, welch ein netter Empfang! Wir fahren zunächst Richtung Norden nach Sandefjord, wo uns ein Kaffee das „Übernachtige“ austreiben soll. Das warme, herrlich nach Zimt duftende Hefegebäck versteht es besser, die Lebensgeister zu wecken! Vorsicht ist geboten: Dieses sündige, weiche, den Gaumen betörende Backwerk hat Potential auch mich wie einen Germteig aufgehen zu lassen.
Sandefjord entwickelte sich ab 1850 zu einem Zentrum des Wal- und Robbenfangs. Vor hundert Jahren hatten 25 Walfanggesellschaften ihren Sitz in Sandefjord und Ende der 1920er Jahre gab es 15 Trankochereien und 90 Walfangboote. Der Walfang wurde erst 1967/68 eingestellt. Die „Southern Actor“, liegt heute noch einsatzfähig im Hafen und kann bestaunt werden.
Wir besichtigen Europas einziges Spezialmuseum für den Walfang, das Hvalfangstmuseet. Neben der arktischen und antarktischen Flora und Fauna befasst sich das Museum mit den unterschiedlichen Methoden des Walfangs und den damit verbundenen Kulturen, sowie dem Schutz der Wale. Besonders beeindruckt hat uns der Film über die Fangmethoden und das Leben auf den Walfangschiffen.
Hier scheint die Sonne öfter als im restlichen Norwegen. Das wollen wir die nächsten Tage nutzen und quartieren uns zuerst am „Familiencamping Lovisenberg“ 6 km außerhalb von Kragerø ein. Der Campingplatz liegt am Hellefjord und wird derzeit von einem Österreicher betrieben. Das 50 Meter lange, beheizte Salzwasserbecken übt keinen Reiz auf uns aus, während das auf der Haut prickelnde Meer, das von den Kindern auch zu später Stunde noch genutzt wird, herrlich erfrischend ist. Die erst um halb elf beginnenden Sonnenuntergänge bestaunen und kommentieren wir wie zwei kleine Kinder.
In Kragerø pulsiert an beiden Seiten des kleinen Meeresarm „Blindtarmen“ 😉 das Leben. Viele Touristen genießen das beschauliche Städtchen, die Bewohner/Besitzer der unzähligen Ferienhäuser und Villen in der Gegend kommen mit dem Boot zum Einkaufen.
Risør, die weiße Stadt am Skagerrak, punktet mit vielen Sonnentagen, weißen Bilderbuchhäuschen rechts und links der hübschen Gässchen, mondänen Holzgebäuden an der schönen Uferpromenade, – die aufgrund der ankernden Yachten mit braungebrannten Schönheiten an Nizza denken lässt – und einem Bootshafen mit Ausflügen in ein Meer voller Inseln mit feinen Sandstränden.
Am Donnerstag, 21. Juli, übersiedeln wir ein bisschen weiter in den Süden auf den „Campingplatz Marivoll“, der gegenüber von Grimstad auf der landfesten Insel Marivold liegt. Hier treffen wir Heidi und Manfred aus Lichtenberg, die drei Wochen in Norwegen unterwegs gewesen sind. Wir verbringen gemeinsam einen netten Abend, bekommen Reisetipps und fertige Routen UND so gar keinen Guster auf den Norden, hatten die beiden doch da oben gar kein Glück mit dem Wetter.
Die Schärenküste rund um den Campingplatz wird von hübschen Ferienhäuschen gesäumt, an manchen Stellen wird auch mit dem Boot zum Sonnenbaden und Relaxen angelegt.
Bei unserer Abfahrt am Samstag, 23. Juli, besuchen wir noch Grimstad und Lillesand, bevor wir an das Südkap (zum Nordkap wären es von hier 2.518 km!!) zum südlichsten Campingplatz Norwegens in Lindesnes fahren.
Der Weg zum Kap führt uns durch wunderschöne Landschaft, in der man sich fernab der Zivilisation wähnt. Auch hier findet man ab und an Ferienhäuser und vielleicht eine Schafherde. Oh, wie schön: Das Navi hat wieder einmal eine Spezialabkürzung für uns parat! Ich traue mich wetten, dass auf der „Straße“ noch nie zuvor ein Womo unterwegs gewesen ist.
Auf dem Campingplatz „Lindesnes“ fühlen wir uns recht wohl. Wir machen eine Wanderung zum Leuchtturm, Rudi fischt vier Makrelen von der Hafenmole aus, grillen, genießen die Sonne, schwimmen, schauen auf das Meer….
Das erste Leuchtfeuer wurde hier bereits 1665 errichtet, finanziert durch Abgaben vorbeifahrender Schiffe. Was heute mit den horrenden Eintrittspreisen finanziert wird um in die Nähe des Turmes zu kommen, weiß ich nicht. Wir begnügten uns mit dem Blick zum Turm und auf das Meer.
Vi ses,
die Womophilen